Was ist Ihr größter Wunsch? Ihr größter Traum?
Nicht selten höre ich davon, was Menschen alles dafür getan haben, um sich ihren Herzenswunsch zu erfüllen, z. B. sich und ihrer Familie ein eigenes Haus zu bauen oder einmal auf Weltreise zu gehen oder zumindest einmal in das Land zu reisen, das der Inbegriff ihrer Sehnsüchte und Träume ist. Manche haben Sehnsucht danach, einmal etwas ganz Verrücktes zu tun bzw. ein großes Abenteuer zu erleben. Natürlich gibt es viele, die recht bescheidene Wünsche haben, aber es dennoch als höchstes Glück empfinden würden, wenn sie in Erfüllung gingen. Darüber hinaus gibt es viele Wünsche und Träume, zu deren Erfüllung Menschen gar nicht viel beitragen können. Es wäre ein reines Geschenk, wenn sie wahr würden.
Am 2. Februar, am Fest der Darstellung des Herrn, wird uns im Evangelium ein Mann namens Simeon begegnen, der sich auch noch im hohen Alter nach der Erfüllung seines großen Lebenswunsches sehnte. Er wollte demjenigen begegnen, den er als Messias erwartet hatte, ohne genau zu wissen, wer es denn ist. Simeon hat sein ganzes Leben lang darauf gewartet, denn davon versprach er sich alles: Trost, Erfüllung und Heil. Als er dann den kleinen Jesus im Tempel sieht und ihn als den erkennt, auf den er so sehnsüchtig gewartet hat, ruft er denn auch voller Freude: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen“. Sein sehnlichster Wunsch ist Simeon erfüllt worden, er hat sein Lebensziel erreicht.
Die Frage nach unserem Lebenswunsch kann uns zum Nachdenken bringen, was wirklich wichtig ist in unserem eigenen Leben, worauf es unbedingt ankommt – nicht nur für den Augenblick. Wofür lohnt es sich zu leben? Wofür lohnt es sich, jeden Tag wieder aufzustehen und anzupacken? Wofür lohnt es sich am Ende sogar zu sterben?
Darauf gibt es sicherlich viele Antworten, so wie es auch ganz unterschiedliche Wünsche, Träume und Sehnsüchte gibt. Jeder hat seine eigenen. Und doch gibt es für alle nur ein einziges Kriterium: Wann kann ich in Frieden scheiden, weil ich mein Leben als erfüllt sehen kann? Wann bin ich mit mir und der Welt im Reinen?
Es war Simeons tiefer Glaube, der ihm die Zuversicht schenkte, dass Gott ihm seinen größten Lebenswunsch erfüllen würde. Auf ihn hatte er sich verlassen und ihm vertraut. Simeon konnte sich den Lebenswunsch nicht selbst erfüllen, aber die Erfüllung auch nicht herbeibeten oder erkaufen. Sie wurde ihm geschenkt. Und so geht es auch uns, selbst wenn wir es vermögen, manche unserer Träume durch eigene Anstrengung Wirklichkeit werden zu lassen. Bei dem, was unser Leben wirklich heil macht; bei dem, was unserem Leben wirkliche Erfüllung schenkt, geht dies aber nicht. Und so müssen wir wie Simeon oft lange aushalten und ausharren, im Vertrauen, dass Gott zu seiner Zusage steht und uns das Heil sehen lässt, das er für uns bereitet hat.
Gebe Gott, dass es uns ebenso wie Simeon geschenkt ist, dies zu unseren Lebzeiten zu erfahren, so dass auch wir einmal in Frieden scheiden können. Doch sollten wir am Ende unserer Tage nicht mit uns selbst und mit unserem Leben im Reinen sein, schenke Gott uns die feste Zuversicht, dass wir in seinen Frieden hineinscheiden dürfen. Und zwar deshalb, weil er selbst, wenn wir ganz bei ihm sind, das ersetzen wird, was uns fehlt und er unserem Leben die letzte Erfüllung und Vollendung schenken wird.
Pfr. Thomas Müller