“Kein uns bekannter Fall verschleppt oder vertuscht” – eine Stellungnahme von Bischof Dr. Gebhard Fürst

Nach der Veröffentlichung des Gutachtens zum Umgang mit sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im Erzbistum München und Freising am 20. Januar 2022 schreibt Bischof Dr. Gebhard Fürst an alle im Haupt- und Ehrenamt Tätigen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart: 

Sehr geehrte Damen und Herren, 
sehr geehrte im Haupt- und Ehrenamt in der Diözese Rottenburg-Stuttgart Tätige und Engagierte! 


Sicherlich haben Sie die Veröffentlichung des Gutachtens zum Umgang mit sexuellem Missbrauch an Kinder und Jugendlichen im Erzbistum München und Freising verfolgt. Besonders schwer wiegt, neben der Zahl und der Schwere der Fälle, die Feststellung, dass die Opfer nicht gehört und wahrgenommen wurden. Dies macht mich sehr betroffen. 


Seit Beginn meiner Amtszeit als Bischof im Jahr 2000 habe ich mich des hoch­sensiblen Themas des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und kirchliche Mitarbeiter angenommen. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart war die erste, die alle bekannten Fälle zurückreichend bis ins Jahr 1946 mit großer Sorgfalt, Sensibilität und in unabhängiger Vorgehensweise aufgearbeitet hat. 

Im Jahr 2003 habe ich eine eigenständig arbeitende „Kommission sexueller Missbrauch” (KsM) eingesetzt, die stets von einer unabhängigen Person des öffentliche Lebens geleitet wird. Derzeit hat diese Aufgabe die ehemalige Sozialministerin und Kinderbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Dr. Monika Stolz inne. 


Im Dezember hat sich nun die Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Miss­brauchs durch kirchliche Beschäftigte in der Diözese Rottenburg-Stuttgart unter dem gemeinsamen Vorsitz von Professor Dr. Jörg Eisele, Professor für Straf­recht an der Universität Tübingen, und Thomas Halder, ehern. Ministerialdirek­tor des Kultus- und Sozialministeriums des Landes, konstituiert. Der Aufarbei­tungskommission gehörten sieben Mitglieder an, darunter auch zwei Betroffe­ne. Ihr Auftrag ist es, den Umgang mit sexuellem Missbrauch durch kirchliche Beschäftigte in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu durchleuchten. Die Aufar­beitungskommission wird einmal jährlich wie auch anlassbezogen die Öffent­lichkeit über ihre Arbeitsergebnisse informieren. 


Die Pressemitteilung zur Konstituierung der Aufarbeitungskommission, veröf­fentlicht am 19. Januar 2022, sowie ein Vorwort einer Publikation, die die chro­nologische Darstellung der Aufarbeitung enthält, finden Sie anbei. 

Ich kann und möchte Ihnen versichern, dass in der Diözese Rottenburg­Stuttgart kein uns bekannter Fall vertuscht oder verschleppt wird. Alle Fälle wurden akribisch durch die unabhängig arbeitende KsM und das Vorgehen der Diözese und ihrer Verantwortungsträger/-innen durch die Aufarbeitungskom­missionen aufgearbeitet. Verdachtsfälle werden der Staatsanwaltschaft gemel­det. Alle Täter sind entsprechend ihrer Taten nach geltendem Recht bestraft worden. Mit jedem und jeder Betroffenen, die dies wünschte, führte ich ein per­sönliches Gespräch. 


Ich weiß, dass die Betroffenen durch das Leid, das ihnen angetan wurde, oft ihr gesamtes Leben lang belastet sind. Ich weiß, dass ich das geschehene Ver­brechen nicht wieder gut machen kann. Dennoch möchte ich mich auch heute mit Scham bei den Opfern entschuldigen. 


Mit freundlichen Grüßen 

Dr. Gebhard Fürst
Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart

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