Die Zeit des Redens ist vorbei“
Klaren Mut zur Veränderung der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche haben die Teilnehmenden des ersten Frauenforums eingefordert.
„Die Zeit des Redens ist vorbei; Zeit ist schon zu viel vertan“, erläuterte Veronika Rais-Wehrstein, Mitglied im Präsidium des Diözesanrats, die Motivation für die Ausrichtung des Frauenforums. „Frauen sind weihefähig“, war eine der Konsequenzen, die sie aus dem digitalen Austausch zog. Schließlich seien Gleichstellung und Gleichberechtigung ein Recht, das jedem Menschen zustehe und Menschenrechte seien nicht verhandelbar. Bischof Dr. Gebhard Fürst versprach, sich weiterhin mit Vehemenz für die Weihe von Diakoninnen in der Vollversammlung der Bischofskonferenz einzusetzen. „Zudem möchte ich alle Frauen, die Diakonin oder Priesterin werden möchten, zu einem Gespräch zu mir einladen“, so der Bischof weiter. Denn es gehe nicht nur um einen Schlagabtausch, vielmehr sei ein intensives aufeinander Hören gefordert. Auch in den Reformprozess des Synodalen Wegs will Bischof Fürst die Wünsche und Forderungen des Frauenforums einbringen. Zumal die Diözese mit dem Rottenburger Modell bereits eine starke Teilhabe auf allen Ebenen für alle Getauften und Gefirmten ermögliche.
„Es geht darum, alle uns in unserer Diözese gegebenen Möglichkeiten in vielfältigen Formen zu nutzen und bis an die Schmerzgrenze des Kirchenrechts auszureizen“, forderte Dr. Johannes Warmbrunn, der Sprecher des Diözesanrats. Ziel sei, eine vollständige Gleichberechtigung in der Kirche analog zur Gesellschaft umzusetzen und das Kirchenrecht auch mit Blick auf die Weiheämter weiterzuentwickeln.
Rund 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen am Samstag, den 17. April, am Frauenforum teil, das von der Diözesanleitung sowie dem Diözesan- und Priesterrat ausgerichtet wurde.
Verkündigungsamt weiterentwickeln und Berufung von Frauen erkennen
Insgesamt befasste sich das Frauenforum mit den vier großen Themenbereichen Berufungen, Geschlechtergerechtigkeit, Leitung und Macht sowie Spiritualität und spiegelte damit auch einen Teil der Schwerpunkte des Synodalen Wegs wider. Mit Schwester Nicola Maria Schmitt aus Stuttgart sprach auch eine der Vertreterinnen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart beim Synodalen Weg gleich zu Beginn des Forums über die Berufung von Frauen zum Diakonat und zum Priestertum. Sie setzte sich dabei als Ordensfrau für die besonderen Kompetenzen und das Charisma von Frauen ein sowie dafür, die Berufung von Frauen zu erkennen, anstatt sie zu marginalisieren. Vor allem der Aufbau eines systematischen Personalentwicklungssystems, in dem Frauen und Männer gleichermaßen ihre Berufung zur Leitung, zur Liturgie und zur Verkündigung einbringen können, war Teil ihrer Wünsche an die Diözesanleitung. Konkret brachte sie das Ziel ein, dass bis 2025 rund 30 Prozent Frauenanteil in leitenden Positionen auf allen Ebenen des Bischöflichen Ordinariats, in Gremien etc. erreicht wird. Zudem forderte Schwester Nicola Maria eine Weiterentwicklung des Verkündigungsamtes.
Gleichberechtigung geht alle an – Mut auch bei Entscheidern eingefordert
Was Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche bedeutet, zeigte Zuzanna Flisowska auf. Die polnische Theologin steht als General Managerin dem römischen Büro von „Voices of Faith” („Stimmen des Glaubens”) vor, einer Initiative, die sich für die Stärkung der Rolle katholischer Frauen weltweit einsetzt. Flisowska sprach über den gleichen Zugang von Männern und Frauen zu allen Gestaltungsebenen der Kirche. „Die Veränderung, die wir wirklich brauchen, ist, dass die Kirche erkennt, dass Geschlechtergerechtigkeit ein Wert an sich ist“, so Flisowska. Den Synodalen Weg sieht die international tätige Theologin als mutigsten Vorschlag für Veränderung in der katholischen Kirche auf der ganzen Welt. Auf den Bezugsrahmen der Frage nach der Gerechtigkeit in Deutschland ging Nadine Maier, Diözesanjugendseelsorgerin beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), ein: „Im Grundgesetz steht ganz klar, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleichberechtigt sind. Das ist in der Kirche nicht der Fall und das muss sich ganz dringend ändern.“ Gleichberechtigung sei daher die Minimal- und nicht die Maximalforderung und die Frage nach derselben auch kein reines Frauenthema, sondern ein Thema für alle Menschen in der Kirche. „Ich erwarte den Mut der Basis auch von den Verantwortlichen auf den Entscheidungsebenen. Der Verweis auf Rom und die dortigen Begrenzungen ist nicht mehr ausreichend.“
Professorin Rahner: Veränderung ist notwendig und zwar sofort
Ins Thema Macht- und Gewaltenteilung führte Professorin Dr. Johanna Rahner ein. Die Tübinger Theologin forderte: „Wir müssen in der Kirche über die Diskriminierung von Frauen sprechen und es sind nicht die Frauen, die daran etwas ändern können.“ Die Katholikinnen und Katholiken lebten seit Jahrzehnten in einer widersprüchlichen Doppelexistenz, da Grundprinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens wie Mitbestimmung und Gleichberechtigung in der Kirche bislang keinen Ort hätten. „Wo aber das konkrete Gefüge in der Kirche gegenüber der eigenen Lebenswelt auf Dauer ein Fremdkörper bleibt, nimmt Kirche in ihrem Wesenskern Schaden“, so Rahner. Die Kirche habe an Glaubwürdigkeit verloren, weil sie die Frauenfrage nicht angemessen beantwortet habe. Professorin Rahner forderte daher, in die Kirche hinein Glaubwürdigkeit zu erzeugen, indem die Kirche sich eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Gleichberechtigung auferlege und das Kirchenrecht daran anpasse. Nach außen gelte es, Flagge zu zeigen und politisch aktiv gegen die Diskriminierung von Frauen einzutreten. „Wer das nicht tut und dazu schweigt ist ein Rassist“, schloss die Professorin ihren Vortrag.
Für die Stärkung weiblicher Formen von Liturgie und Spiritualität setzte sich die Pastoraltheologin Michaela Ständer ein. Jedes Thema wurde mit einem Inputreferat eingeleitet und in Gruppen diskutiert. Danach folgte jeweils eine Podiumsdiskussion, bei der Anregungen und Forderungen anhand einer digitalen Tafel festgehalten wurden.